Wuqing, die fünf Elemente
Durchweg
jede Kultur verfügt über ein gewisses Symbolsystem,
welches das Aufeinanderwirken der verschiedenen Dinge und ihre
Zusammenhänge symbolisiert. Ein Beispiel hierfür ist
z.B. der kabbalistische Lebensbaum der hebräischen Mystiker
mit seinen zehn Sephiroth, den 22 sie miteinander verbindenden
Pfaden und den vier Welten.
Aufgrund ihrer vielfältigen Anwendungsformen ist die chinesische
Symbolik mit ihren Zuordnungen eine wahre Schatzkammer, wenn
es um das Verstehen von Zusammenhängen und wechselseitigen
Wirkverhältnissen geht. Das fernöstliche System des
alten China führt über wuji, yin und yang zu den fünf
Elementen (wuxing), darüber hinaus zu den bagua (acht Trigrammen)
und dem I Ying (vierundsechzig Hexagramme), hierunter gleich
drei solcher Symbolsysteme, nämlich das wuxing, bagua und
I ying. In diesem Artikel geht es um das Basissystem der fünf
Elemente, das wuxing, bestehend aus Holz, Feuer, Erde, Metall
und Wasser. Wesentlich ist bei jedem Element nicht der Stoff/die
Substanz an sich, sondern ihre Qualität, ihre Eigenschaften
und Wirkungen. Die inneren Organe (ich nenne hier der Einfachheit
halber nur die Yin-Organe) - und auch hier letztendlich ihre
Qualitäten - Herz, Leber, Niere, Lunge und Magen/Milz werden
jeweils den Elementen zugeordnet und aus ihrer Anordnung im
wuxing ergeben sich auch ihre wechselseitigen Einflüsse
(siehe Abbildung). Mit diesen Prinzipien arbeitet die traditionelle
chinesische Medizin (TCM), aber auch das Taijiquan, Xingyi,
Baguazhang, Qigongsysteme u.v.a.. Das Wuxinxi, das Spiel
der fünf Tiere-Qigong, baut sogar elementar auf diesem
System auf und erweist sich somit als ideales Werkzeug in der
TCM-Mitbehandlung.
Wie
die hebräische Kabbala arbeitet auch das Wuxing mit Korrespondenzen
bzw. Zuordnungen.
Während
die jüdische Mystik jedoch mit 10 Zentren und 22 sogenannten
Pfaden arbeitet bleibt die chinesische Lehre zunächst bei
den fünf Elementen. Auch das hat seinen Grund: Entgegen
denjüdischen Händlern, Kaufleuten und Gelehrten war
für das chinesische Volk eine möglichst bodenständige
griffige Symbolik von Bedeutung, die von möglichst
vielen (man beachte des Volkes Größe) verstanden
werden musste. Da viele chinesische Künste von der Symbolik
des wuxing untermauert werden, möchte ich näher darauf
eingehen: Wie vorher erwähnt geht es um gemeinsame
Qualitäten verschiedener Dinge, Organe, Abläufe, Seinsaspekte
etc., die alle jeweils eine bestimmte Grundqualität eint.
Im Folgenden möchte ich einmal auf die Schnelle
mit Ihnen durch den sog. nährenden Zyklus der
Elemente wandern und dabei die entsprechenden Zuordnungen aufführen.
Da
die Elemente auch den Jahreszeiten zugeordnet werden, durchlaufen
wir nun also einmal ein Jahr mit seinen Phasen. Beginnen wir
mit dem Frühling:
Das
Saatkorn bricht durch die Erde, ein Neuaufbruch. Aus der im
Winter gesammelten Kraft und Innenschau erwächst ein Initialimpuls.
Das ist das Element Holz (weniger in Form eines Brettes sondern
eher wie ein lebender Ast, Wurzeln, Bambus etc.), das entsprechende
Organ ist die Leber. Ist das Herz im menschlichen Körper
der Kaiser, so ist die Leber der General. Sie gibt
dem Blut die Richtung vor, befiehlt, was wohin gehört.
Im Spiel der Fünf Tiere entspricht dem Frühling der
Hirsch - elastisch, dynamisch, Sprungkraft etc..
Der
Sommer ist die Entfaltung. Das Korn steht in vollen Ähren,
alles erblüht. Dies ist das Element Feuer, indem der vorangegangene
Frühlingsimpuls sich nun entfalten kann, Raum bekommt.
Das Herz ist hier das entsprechende Organ, es regiert den Körper,
schenkt den Lebensrythmus und beherbergt das shen
(den Geist). Und ist nicht mit dem Herzen bei der Sache
sein wahrer Ausdruck von Entfaltung? Im Spiel der Fünf
Tiere ist es der Affe - lustig und fidel schwingt er nach Herzenslust
von Baum zu Baum.
Neben
den uns bekannten vier Jahreszeiten kennen die Chinesen noch
eine fünfte (nein, nicht den Karneval), den Spätsommer,
die Zeit, in der alles reif ist. Längst schmücken
den Apfelbaum nicht mehr zarte weisse und rosafarbene Blüten.
Es ist die Zeit, in der schwere saftige und übersüße
Äpfel von den Bäumen fallen. Ein Wandel vollzieht
sich in dieser Zeit, Reifung im Sinne von Transmutation, Umwandlung.
Das entsprechende Organ ist Magen/Milz und auch hier wird umgewandelt,
nämlich die Nahrung. Das Element ist die Erde und ist nicht
die Erde auch der wunderbarste alchemistische Schmelztiegel?
Das Spiel der Fünf Tiere lehrt uns hier den Bären
- aussen weich, innen stark, genüsslich und immer auf der
Suche nach süßem Honig.
Der
Erde folgt das trennende Metall, dem Spätsommer
der Herbst die Erntezeit. Die Spreu wird vom Weizen getrennt,
die Blätter fallen von den Bäumen und die Ernte wird
eingefahren. Das entsprechende Organ ist die Lunge, die innen
und außen reguliert und das qi (Lebenskraft) beherrscht.
Ist die Lunge in ihrer Funktion beeinträchtigt (das Metall
stumpf),so funktioniert die Abgrenzung nicht, wodurch Lebensenergie
(qi) nur schlecht gelenkt werden kann und/oder beeinträchtigt
wird. Im Spiel der Fünf Tiere ist es der Kranich, der in
seinem Flug aufsteigt, herabsegelt, das Unten und Oben
beherrscht.
Der
Winter zieht ein. War man bislang nach außen orientiert,
so findet nun ein Rückzug nach innen statt. Jetzt zählt,
was wir in unserem Kornspeicher haben, jetzt nähren wir
uns von der Ernte des Jahres. Das Element Wasser entspricht
der Niere, die in der TCM das Energiereservoir, die Kornkammer
darstellt, der Sitz des jing (Essenz). Haben wir wohl gesät,
die rechte Saat gehütet, die Ernte nach allen Regeln der
Kunst eingefahren, so nährt uns nun der Kornspeicher, was
die Niere übrigens auch zu anderen Jahreszeiten macht,
ebenso wie die anderen Organe beständig für unser
Wohlergehen sorgen (was wir allerdings nicht immer umgekehrt
von uns sagen können). Aus dem jing genährt, können
wir dann in einen neuen Frühling starten (war die Kornkammer
allerdings eher leer, wirds mit dem Frühlingsstart
eher schwierig, was gemeinhin aber als Frühjahrs-müdigkeit
gerechtfertigt wird). Das Tier im Wuqinxi ist der Tiger, Ausdruck
bewahrender Stärke und Präsenz.
Das
war der nährende Zyklus der Elemente in Folge. Wichtig
ist jedoch nicht nur das Nähren sondern auch ein Kontrollieren
der Energien, das Im Zaume halten. So gibt es ebenso
einen kontrollierenden Zyklus der Elemente (siehe Abbildung).
Das Wasser kontrolliert z.B. das Feuer ("das Wasser wässert
das Holz"). Im übertragenen Sinne kann ich z.B. etwas
nur dann mit Herzblut angehen, wenn ich die Energie (Niere/Wasser)
dazu habe, sprich - die Niere reguliert das Herz. Das Holz kontrolliert
die Erde (als Bild Wurzeln, die die Erde halten), d.h. beispielweise,
dass ich nur ernten kann (Spätsommer/Erde), was ich gesät
(Frühling/Leber) habe. Läuft die Leber aber über
(sprich eine Laus darüber) schlägt es mir auf
den Magen(Erde).
Diese
Beispiele geben vielleicht einen ersten Eindruck über die
Lehre der Elemente in der chinesischen Symbolik und nicht zuletzt
auch, wie man Aufschlüsse über Zusammenhänge
hieraus gewinnen kann. Jedes Element, jeder Funktionskreis verdient
eigentlich eine ausführlichere Beschreibung, doch würde
dies den Rahmen einer Einführung bei weitem sprengen. Wer
sich mehr mit der Thematik beschäftigen möchte, schaue
im Seminarverzeichnis (TCM-Grundlagen 2001) nach oder widme
sich der vorhandenen umfangreichen Literatur zu diesem Thema,
welche auch über unseren Buchladen bestellt werden kann.
2002
© Text und Copyright: Paul Shoju Schwerdt